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Eine Welt nach der Gewalt: Demokratie braucht Vielfalt

Aktualisiert: 26. Juli 2020



Gefährlichste „Schwuchtel“ der Welt

„Die Tour der gefährlichen Schwuchtel“, unter diesem Titel tourt der Homonantionalist Milo Yiannopoulos durch die USA, verbreitet Hass gegenüber Migranten und Regenbogenmenschen.

Der Homonationalismus wird speziell für die Bestätigung von Vorurteilen gegenüber den Islam verwendet und zielt dabei besonders auf Migranten, die als homofeindlich angesehen werden ab. Die westliche Gesellschaft stünde hier im Gegensatz, da sie als LGBTIQ+ freundlich und sicher für Regenbogenmenschen dargestellt wird. Sexuelle Vielfalt wird hier als politische Waffe umfunktioniert, die durch den Vergleich der unterschiedlichen, rechtlichen Situation von Regenbogenmenschen in verschiedenen Ländern geladen und zum Beispiel durch eine Alice Weidl (AfD) auf das Thema Einwanderung gefeuert wird. Vielfalt soll gegen andere Vielfalt kämpfen.

Milo Yiannopoulos lebt offen schwul, beschreibt aber Schwule als „abnorm“ und Homosexualität als „eine Entscheidung, die schwulen Menschen Schmerz und Unglück bringt.“ Nach dem Anschlag auf den Regenbogen-Nachtclub „Pulse“ in Orlando am 12. Juni 2016, den die Sängerin Sia übrigens in dem berührenden Song „The Greatest“ verarbeitete, trat Yiannopoulos während einer Aktion in New York auf. Er zeigte sich in einer Badewanne voll Schweineblut und verklärte, dass dies das Blut von unschuldigen Menschen sei, die von illegalen Einwanderern getötet wurden.

Seiner Meinung nach sollte man sich nie zu schade für die Verspottung von Transgendern fühlen. Er spricht vom Gleichberechtigungsrecht welches, Zitat: „verwendet [wird], um Männer in die Badezimmer von Frauen zu bringen. Ich habe einige authentische ["passing"] Transen in meinem Leben kennengelernt … das heißt, Transgender-Menschen, die als das Geschlecht durchgehen, das sie gerne hätten […] Woran du erkennst, dass er versagt, ist, dass ich ihn fast immer noch vögeln würde. Es ist nur … es ist nur ein Mann in einem Kleid, nicht wahr?“ (Nick Duffy, pinknews.co, 15.12.2016)

An vielen Universitäten wurde gegen seine Auftritte protestiert, einige Veranstaltungen wurden abgesagt. Nach Protesten in Minnesota setzten sich dortige Professoren für die Verteidigung der Redefreiheit ein. Im Vorfeld einer angekündigten Rede von Yiannopoulos auf dem Campus der Universität von Berkeley, haben zum teil vermummte Personen, die dagegen protestierten, Feuer gelegt und warfen Steine sowie Molotowcocktails gegen anwesende Polizisten, die den Auftritt sichern sollten. Der Auftritt wurde schließlich aus Sicherheitsgründen abgesagt. Trump stellte daraufhin auf Twitter die staatliche Finanzierung der Universität in Frage. Kein Wunder, denn Yiannopoulos galt 2016 im Vorfeld Trumps Wahl zum Präsidenten, als Gründer der Wahlkampfbewegung Gays for Trump. In den BBC News erscheint er mit einem grimmigen Trump-Gesicht auf dem Oberteil und strahlt Arroganz und Verachtung ebenso wie sein rassistischer Held aus. Bei einem seiner Auftritte stürmt eine Gruppe von Schwarzen die Bühne, greift nach Mikros und ruft „Don't Vote Trump!“. Es ist einer von vielen Versuchen, Wölfe im Schafspelz zu entschärfen, Diskriminierung und Hass im Anzug einer schillernden Comedy-Show aus dem Scheinwerferlicht zu holen und gegen emotionale Gewalt aufzustehen.


Akzeptanz als Vorwand für Vorteile, nicht um Gewalt zu verhindern

Wie weit wollen wir Menschen wie Milo Yiannopoulos gehen lassen? Es bleibt ein Spannungsfeld aus Meinungsfreiheit, die für unsere Demokratie ein unbedingt schützenswertes Gut ist und dem Kampf gegen Hass und Diskriminierung durch Verbote. Es müssen aber nicht immer Verbote sein, auch das Entwickeln von Menschenrechten hilft. Europa setzt sich für Menschenrechte ein, darunter auch für Regenbogenmenschen. Sasha Marianna Salzmann spricht davon, dass jedes Land nach der Bewerbung um den EU-Beitritt eine Gay Parade zulassen würde: „Meistens zum ersten Mal und unter Einsatz eines massiven Polizeiaufgebotes, das die Demonstrierenden und Feiernden vor dem wütenden Mob schützen soll. Nicht umsonst nennt uns Russland, das sich in radikaler Opposition zu der Union sieht, in der wir leben: Gayropa.“ (Eure Heimat ist unser Albtraum, Ullstein, 2019)

Hier trügt also manchmal der Schein, denn in diesem Fall wird pinkwashing betrieben, um einen Zugang zur europäischen Union zu erhalten. Vielleicht habt ihr schonmal etwas vom Begriff Whitewashing (Schönfärberei) gehört, bei dem es darum geht eine schlechte Sache besser dastehen zu lassen? In anderen Fällen bedeutet es, etwas aus dem ethnischen Zusammenhang zu reißen, zum Beispiel, wenn der eigentlich japanische Anime „Ghost in the Shell“ nicht mit einer Asiatin in der Hauptrolle verfilmt wird, sondern mit der westlichen Scarlett Johansson. Mit dem Pinkwashing sollen Unternehmen, Personen, Länder, Organisationen, oder Produkte mit Regenbogenmenschen identifiziert werden, um den Eindruck von Toleranz, Modernität und Fortschrittlichkeit zu erwecken. Im Zwischenmenschlichen kennen einige Schwule vielleicht Sprüche wie „Ah ich wollte schon immer einen besten schwulen Freund haben, lass uns Freunde sein!“. Hier wird der schwule Freund zum Statussymbol, ähnlich wie die Pradatasche.

Es geht nicht um den Menschen an sich oder bei den anderen Beispielen, um die Menschenrechte an sich, Gewalt und Diskriminierung aufzuhalten, sondern um Status oder wirtschaftlichen Vorteil. Da der Blick auf Menschenrechte verschoben auf Status und Wirtschaftlichkeit ist, wird das angebliche Ziel der möglichen Potentiale beraubt. Anders gesagt: Wir wollen Akzeptanz, aber nur bis der Gewinn maximiert ist. Das trägt eine Willkürlichkeit in sich, in der die Staatsbürger*innen sich ihrer neuen Rechte nur unter vorbehält sicher sein können. Mal abgesehen davon, dass Menschenrechte auf dem Papier noch etwas anderes sind als wirklich gelebte und zum Beispiel im Unterricht oder durch Projektarbeit vermittelte Rechte, die wiederum sozial- und bildungspolitische Kosten verursachen.


Von der Gewalt zum Nationalismus

Kategorien können auf verschiedensten Wegen ausgenutzt werden. Sie können auch brandmarken: „Schwuchtel“, „schwule Sau“, „Transe“, „N-Wort“, bis zu dem Punkt wo Worte verstummen und Fäuste fliegen. Über die Entstehung von Ausgrenzung und Gewalt hatte ich mit der forensischen Psychiaterin Dr. Nahlah Saimeh gesprochen. Menschen die sich so verhalten, verspüren meistens eine Verunsicherung in sich selbst, es hat also mehr mit der anderen Person zu tun als mit einem selbst.

Populisten wie Donald Trump versuchen durch extreme Aussagen und Wiederholung unfundierter Thesen Emotionen für die eigene Sache zu extremisieren. So breitet sich ein Feuer der Polarisierung aus. Wo ist hier unsere Fähigkeit zu denken und zu erkennen? In Situationen, wo Wissenschaftler*innen keine eindeutige Antwort geben können, grade in Krisen, ist es wichtig alle Grauwerte zu sehen, um nationalistischen Ideologien kein Futter zu geben. Solche Ideologien sind die Verkörperung des einfachen nicht Selbstdenkens und der Gegenspieler der Erkenntnis.

Die Nationalsozialisten waren gegen Individuen, ihr Spruch „Du bist nichts - Dein Volk ist alles“ impfte den jungen Menschen der Hitler Jugend schon ihre Ideologie ein, den Kult der Pflichterfüllung, des Opfers und der heroischen Werte. Der Fokus lag auf Helden die sich ihrem Land, der obersten Autorität opfern. Mussolini, der Führer des Faschismus in Italien, fasst den Faschismus mit den Worten „ernst, rau, religiös“ zusammen. Wir können uns diese Religiosität als Götzendienst vorstellen, in dem der „Führer“ wie ein Gott bewundert und nicht in Frage gestellt wurde. Nur dieser führte, die Bürger*innen hatten als Volkskörper ihrem Kopf hinterherzulaufen. Immanuel Kants „dogmatischer Schlummer“ bedeutet hier, dass durch unumstößliche Regeltreue, kein Raum für Selbstdenken möglich ist. Die politische Theoretikerin Hanna Arendt schreibt in Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft: „Der Kampf um totale Herrschaft im Weltmaßstab und die Zerstörung aller anderen Staats- und Herrschaftsformen ist jedem totalitären Regime eigen ….“ Denn die Welt könne nach der Ideologie nur einen heiligen Kopf, einen Führer haben.

Der Kampf um die Weltherrschaft, mit Massenpolitik, Propaganda wie sie auch Donald Trump betreibt und sogar von Twitter korrigiert werden muss.

Nationalisten hassen Intellektuelle so wie alles Analytische, denn mit so einen Blick erkennt mensch zum Beispiel, dass die vermeintlich positive Leistung Hitlers, die Autobahn zu bauen, nur dazu diente die Kriegsmaschinerie voranzutreiben, nicht um uns wirklich miteinander zu verbinden, eher um alles Individuelle, alles andere schnellstmöglich auszurotten und die Welt zu erobern. Dies sei bei Aussagen wie „Es gab auch Gutes“ zu berücksichtigen. Wo Wege der Gewalt falsch dargestellt oder ignoriert werden kann sie schnell wieder entstehen.


(Un)Sichtbare Vielfalt

Zur eigenen Individualität zu stehen ist nicht nur ein Zeichen der Selbstliebe, es ist ein Zeichen gegen den Identiätsverschlingenden Nationalismus.

Dieser aufgeheizten Stimmung der extremen Emotionen versuche ich mit meinem KulTour Miteinander Projekt durch Engagementförderung, Lesungen und Begegnungen entgegenzuwirken. Räume zu schaffen, in denen Verständnis füreinander entsteht. Gewalt, Hass und das Leid der Betroffenen aufgedeckt wird und nicht nur Raum zum Selbstdenken, sondern zum selbst gestalten aufgemacht wird. Wir werden nicht als Nationalisten geboren, aber auch nicht als Demokratien, dass muss erst gelernt oder noch besser erlebt werden.

Manche Menschen sagen mir bei Veranstaltungen, um zu versichern, wie offen sie sind Sätze wie „Ich mache keinen Unterschied, ob jemand schwul, lesbisch, schwarz, behindert, jüdisch oder sonst wie anders ist. Für mich sind alle Menschen gleich.“

In einer wirklich herzlichen Welt wäre über diese Kategorien keine Diskriminierung, Ausgrenzung oder Othering möglich. Wir würden einander in unserer Individualität, mit all den verschiedenen Eigenschaften sehen, ohne das bestimmte Menschen andere durch ihre Privilegiertheit an den Rand drängen. Doch in der Realität sieht das anders aus. Diese gut gemeinte Aussage, sorgt nämlich dafür, dass nicht über Vielfalt gesprochen wird. Die Potenziale der Vielfalt, der verschiedenen Gruppen brauchen aber Raum, damit sie verstanden werden und mensch sich aus angeeignetem Wissen bewusst für etwas entscheiden kann. Andererseits brauchen auch die negativen Seiten einen Platz in der Diskussion. Wenn du ein weißer, heterosexueller Cis-Mensch bist, also von Anfang an dich im richtigen Körper fühltest, dann machst du dir andere Gedanken, als jemand der sich Sorgen macht, ob sie, er oder sier in der eigenen Identität akzeptiert wird, was die Familie oder Freunde sagen werden, wie die Chancen für einen Job oder eine Wohnung aussehen, wie sicher mensch sich draußen fühlen darf, ob wieder die Haare angefasst werden, von Fremden, eine intime Frage zu deinem Sexleben gestellt wird, ob du jetzt die Hand deiner Liebe halten kannst oder deine Emotionen besser versteckst, du wieder ignoriert oder angestarrt wirst, oder Rücksicht haben sollst, weil andere sich noch nicht an dich gewöhnt haben.

Wenn du mir sagst, diese Unterschiede nicht zu sehen, ist das gefährlich, denn du siehst dann meine Realität nicht und vermittelst mir, darüber auch nichts erfahren zu wollen, denn für dich existiert das nicht, alles ist für DICH ok. Wie kann ich mich dann darauf verlassen, dass du als Pädagogin mein Kind vor regenbogenfeindlichen oder rassistischen Erfahrungen schützt, ob du für mich da bist, wenn wir Abends unterwegs sind und ich aufgrund meines Andersseins beleidigt werde. Dass du verstehst, dass ich nicht gerne an bestimmten Orten bin, weil es für mich im Schwimmbad eine schreckliche Erfahrung ist mich zu zeigen oder ich gar nicht in der Lage bin mich so zu zeigen, wie ich es gerne würde.

Wie uns künstliche Intelligenz vom diversen Verstehen abhält

Die Globalisierung stellt für so ein Verstehen eine große Herausforderung dar; weil viele Menschen nicht gelernt haben mit der aufgedeckten Vielfalt umzugehen fühlen sie sich überfordert. Deswegen ziehen sie sich in ihre Gruppe zurück, suchen nach einfachen Lösungen, nach gut oder Böse.

Die Digitalisierung macht es nicht einfacher. Unternehmen wie Cambridge Analytica haben gezielt in sozialen Netzwerken Postings gesetzt und dabei Psychogramme durch Datenpunkte von Facebook erstellt, um genau herauszufinden, was unsere Grenzen überschreitet und ab wann wir unsere Meinung ändern.

Trump nutze dieses Tool, um die Wahlen der USA so antidemokratisch zu beeinflussen. Dieses Vorgehen ist antidemokratisch, da keine wirklichen Begegnungen, tatsächlich erlebte Ereignisse diskutiert werden, Menschen sich selbst eine Position bilden, sondern vorgefertigte Meinungen aufgetischt werden und wir selber nicht einmal merken, dass dies nichts mit unserer wirklichen Persönlichkeit, unserer wirklichen Lebenswelt zu tun hat. So wird die Demokratie ihrer Wahrhaftigkeit beraubt, Hass geschürt und Gewalt gefördert. Das vielleicht größte Verbrechen an der Menschenwürde im digitalen Zeitalter.

Auf Instagram, Facebook und co wird dir durch künstliche Intelligenz nur das angezeigt, was du magst, was Reaktionen und Aufmerksamkeit produziert. Angebliche Skandale verbreiten sich schnell, aber die Richtigstellung als Fakenews ruft nun einmal nicht so viele Reaktionen hervor, um Relevanz zum Anzeigen zu erlangen. Die künstliche Intelligenz ist darauf programmiert nur Postings mit vielen Reaktionen im Newsfeed anderer Menschen anzuzeigen. Dadurch entstehen Filterblasen, in denen die eigene Meinung manipulativ immer wieder bestätigt wird, bis wir uns anderen Meinungen und Lebenswürfe völlig entfremden. Der Brutkasten für Verschwörungstheoretiker*innen. Die Entfremdung führt wiederum zur Angst. Dieses System hält von einer Weiterentwicklung zum sozial-kompetenten und komplexen Menschen ab. Anpassung und schwarz-weiß-Denken wird gefördert. Ich sehe Personen, die sich nur noch durch Beauty-Filter schön finden und im wahren Leben ein negatives Selbstbild entwickeln. Sie wollen mit all den schönen Bildern im Netz mithalten, bei manchen entsteht Eifersucht, bei anderen Selbsthass und in extremen Fällen Hass gegenüber den anderen Menschen, die angeblich ein viel schöneres Leben hätten. Shitstorms und Hassbotschaften im heutigen Ausmaß konnten erst durch Social Media entstehen. So viel zum „sozialen Netzwerk“.

Menschen versuchen sich dort mit ihren Beleidigungen oder gar Drohungen zu übertrumpfen, zu „gewinnen“.


Wege aus der Gewalt - Die Machtlüge

Es gibt Techniken, um Gewalt und Hass beim Entstehen aufzuhalten. Der Antmobbing-Speaker Brooks Gibbs spricht vom dominanten Verhalten.

Es geht darum Macht über dem Gegenüber zu bekommen und sein Selbstwert wieder herzustellen. Wenn du beleidigt wirst, beleidigst du zurück, um dich nicht minderwertig zu fühlen. Doch sobald du dies getan hast, fühlt sich die andere Person minderwertig und so dreht sich die Spirale der verbalen Gewalt, du musst immer krassere Sachen sagen, um zu „gewinnen“ bis Worte nicht mehr reichen. Wenn du dich darauf nicht einlässt, für den „Hinweis“ der anderen Person sogar dankst, ihr Komplimente machst und erklärst, dass dein Selbstwert nicht von ihr abhängt, dann nimmst du der Person den Wind aus dem Segel und zeigst gleichzeitig, dass hinter den Vorurteilen, die diese Person gegenüber dir hat, ein Mensch mit Charakter steckt. Du verhinderst, dass sich die Situation gefährlich hochschaukelt. Diese Technik hilft allerdings nur bei verbaler, emotionaler Gewalt. Es gibt Zivilcourage-Techniken, mit denen du dich schützt und trotzdem in Gewaltsituationen eingreifen kannst, zum Beispiel, indem du andere Menschen anspricht und gemeinsam in die Situation hineingehst oder du dem Opfer die Aufmerksamkeit schenkst und versuchst die Gewalt-Atmosphäre zu verändern. Wenn ich mit der angegriffenen Person über ihr interessantes Buch oder die coole Jacke spreche, dann kann ich der angreifenden Person vermitteln, dass ich mich doch grade unterhalte und das sie stört. Ich kann natürlich auch direkt das Verhalten ansprechen, lauter reden, sodass die Situation auch für andere nicht mehr unsichtbar ist. Es gibt viele Wege aus der Gewalt, aber keiner ist so effektiv, wie von Anfang an Menschen zum Selbstdenken zu bringen, sie zu kompetenten Menschen heranreifen zu lassen, die Vielfalt spannend und nicht beängstigend empfinden, die offen in die Welt gehen und ein starkes Selbstvertrauen besitzen, dass sie gar nicht erst dazu bringt ihr Selbstwert durch Beleidigungen oder Gewalt gegenüber anderen künstlich und nicht nachhaltig aufzubessern. Dabei handelt es sich in diesen Fällen nicht einmal um wirklichen Selbstwert, es ist eine kurzfristige Emotion der Macht, mit der mensch sich selbst belügt, besser zu sein.

Solche Prozesse zu verstehen, funktioniert nur durch Wissensvermittlung und sie ethisch zu begreifen, danach zu leben, gelingt nur durch die Ansprache des Herzens.

Der heute leider kaum bekannte Psychiater, Schriftsteller und Bildungspolitiker Ernst von Feuchtersleben hat die Wichtigkeit des Selbstwertes auf verschiedenen Ebenen in das reale Leben integriert.

Als Bildungspolitiker, hat er sich für unentgeltlichen Unterricht eingesetzt, eine bessere Bezahlung und Ausbildung von Lehrer*innen und neue Fächer wie „Menschenkenntnis“. Selbstwerterhöhung funktioniert auch durch materielle Mittel und der bildungstechnische Aspekt trägt noch zum Miteinander durch soziale Kompetenzen mit. Als Mitbegründer der Psychosomatik wollte er eine Brücke zwischen Physiologie und Psychologie bauen. Nach ihm entwickeln sich Funktionen des Denkens und Organe wechselseitig. Sicher kennst du Situationen, in denen du aufgeregt bist und ein komisches Gefühl im Magen hast oder ein Erfolgserlebnis, nachdem du mit einer Offenheit grade zu durch die Welt springen möchtest, sich alles leicht anfühlt. Feuchtersleben hebt den Wert der genauen Kenntnis der eigenen Person für die psychische Gesundheit hervor. Vielfalt ist hier ein Schlüssel, um verschiedene Anteile des eigenen Selbst zu erkennen und überhaupt erst in eine Situation zu kommen, in der mensch bestimmte Seiten an sich erschließen kann. So wie ein Kind, dass ein musikalisches Genie ist, dies aber nur entdeckt, wenn es mal ein Instrument ausprobiert. Mit solch einer Selbsterkenntnis ist es möglich Selbstzweifel zu bekämpfen oder gar nicht entstehen zu lassen. Auf diese Weise kommt ein Individuum nicht in die Gefahr sich selbst oder andere abzuwerten, nur um durch Hass und Gewalt sich selbst durch eine Machtlüge zu betäuben.


Vielfalt für eine Welt des bunten Miteinanders

Deswegen brauchen wir echte Begegnungen, mehr Austausch, Zeit für uns und andere, um Vielfalt zu erleben und dieses Konzept auf dem unsere Demokratie fußt selbst zu leben. Vielfalt macht stark und bringt Licht in die unerforschten, dunklen Teile unserer Seele, die wir nur mit Mut, frei von Angst entdecken können.

Deswegen ist Freundschaft und Liebe so wichtig für eine demokratische Gesellschaft. Nur dadurch erreichen wir eine wirkliche Demokratie, in der Individuen leben, die authentisch sind, ihre Farben entdecken, leben und feiern. Diese Selbstsicherheit und Selbstliebe kommt nicht nur einer gewaltfreien Demokratie entgegen, es entstehen allgemein mehr Lösungsansätze für Herausforderungen des Miteinanders. Gertrut Nunner-Winkler hat in Tiefeninterviews mit 14- bis 22- Jährigen zwei Extremgruppen erschlossen: die Selbstzweifler hatten Schwierigkeiten Problemlösungen zu finden, während die Selbstsicheren dreimal mehr fanden. Die Psychologin schließt daraus, dass ein Individuum, dass sich nicht als Subjekt „gelebter Lebensvollzüge, sondern als bloßes Objekt von Schicksalsmächten begreift“ keine Identität aufbauen kann.

Daraus entsteht die Pflicht mehr Räume zu schaffen, in denen Identität und Individualität aufgebaut werden kann; durch Charakterentwicklung, Vielfalt-Projekte und einen liebevollen Umgang die Basis geschaffen wird, damit wir in der Diversität eines bunten Miteinanders, ein gutes Leben in einer möglichst gewaltlosen, friedlichen Welt selbst gestalten können.

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